Aktien-Delisting: Wenn Unternehmen von der Börse verschwinden
11.01.2024
7 Minuten Lesezeit
Das Wichtigste in Kürze:
- Unternehmen können sich aus verschiedenen Gründen für ein Delisting entscheiden. Einer der häufigsten Gründe ist eine Übernahme, bei der das Unternehmen von einem neuen Eigentümer übernommen wird. Dieser neue Eigentümer kann sich entscheiden, das Unternehmen von der Börse zu nehmen, um es strategisch neu auszurichten, ohne den Anforderungen und der öffentlichen Transparenz einer Börsennotierung zu unterliegen.
- Ein Delisting kann erhebliche Auswirkungen auf die Aktionäre haben. Wenn ein Unternehmen von der Börse genommen wird, können die Aktionäre ihre Aktien nicht mehr öffentlich handeln. In vielen Fällen erhalten die Aktionäre jedoch ein Angebot für ihre Aktien, entweder in bar oder in Form von Wertpapieren des neuen Eigentümers.
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Was bedeutet Delisting?
Bei einem Delisting zieht sich ein börsennotiertes Unternehmen von der Börse zurück. Man spricht auch von einem Börsenabgang oder Börsenrückzug. Die Aktie des betroffenen Unternehmens ist nach dem Delisting nicht mehr an der Börse notiert und kann nicht mehr aktiv gehandelt werden.
Dadurch wird die Verkehrsfähigkeit der Aktie erheblich beeinträchtigt. In der Regel musst Du bei einem Delisting also mit starken Kursverlusten rechnen.
Downlisting
Anders als beim Delisting verschwindet das Unternehmen beim Downlisting nicht von der Börse, sondern wechselt lediglich in ein Börsensegment mit niedrigeren Anforderungen. Zum Beispiel kann ein Wechsel vom Prime Standard, dem Segment mit den höchsten Anforderungen, in den weniger geregelten General Standard oder ins Basic Board veranlasst werden.
Wie funktioniert ein Delisting?
Früher war die Mehrheit der Hauptversammlung nötig, um ein Delisting abzusegnen. Heute trifft der Großaktionär diese Entscheidung alleine. Dazu muss er bei der zuständigen Zulassungsstelle einen Antrag auf Widerruf der Zulassung von Wertpapieren seines Unternehmens zum Börsenhandel stellen. Auch die Zulassungsstelle kann den Börsengang widerrufen und damit das Delisting veranlassen.
Warum ziehen sich Unternehmen zurück? Gründe für ein Delisting
Ein Delisting kann nicht einfach mal so entschieden werden. Immerhin hat es Konsequenzen nicht nur für das Unternehmen selbst, sondern auch für die Anteilseignergruppe, also für die Anlegerinnen und Anleger. Es müssen also triftige Gründe vorliegen. Wir haben sie für Dich zusammengetragen.
Insolvenz: Bei einer Insolvenz ist das Unternehmen zahlungsunfähig und kann seine Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen. Das hat zur Folge, dass der Wert seiner Aktien auf Null fällt. Das bekannteste und wohl krasseste Beispiel für ein Delisting wegen Zahlungsunfähigkeit ist Wirecard.
Pflichtvernachlässigung: Börsennotierte Unternehmen haben Pflichten, denen sie regelmäßig nachkommen müssen. Dazu gehören regelmäßige Geschäftsberichte, Hauptversammlungen, die Offenlegung der Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat und so weiter. Vernachlässigt ein Unternehmen diese Pflichten, kann das ein Einschreiten der Börsenaufsicht und schlimmstenfalls ein Delisting zwangsweise zur Folge haben. Der ordnungsgemäße Handel der Wertpapiere des Unternehmens ist dann nämlich nicht mehr gewährleistet.
Kostenvermeidung: Der Hauptgrund für den Börsengang ist Kapitalbeschaffung. Allerdings ist es auch ziemlich teuer, an der Börse gelistet zu sein: Die Erfüllung der oben genannten Pflichten kostet Geld. Rechnet sich das für ein Unternehmen nicht, ist ein Delisting sinnvoll.
Übernahme und Umstrukturierung: Oftmals führt eine Übernahme zu Veränderungen in der Unternehmensstruktur. Der neue Eigentümer kann strategische Entscheidungen treffen, um das erworbene Unternehmen an seine eigenen Bedürfnisse anzupassen. Dies kann eine Umstrukturierung der Geschäftsprozesse, Organisationsstrukturen und sogar des Geschäftsmodells umfassen.
Delisting im Zuge einer Übernahme: Ein Delisting bezieht sich auf den Rückzug eines Unternehmens von der Börse, wodurch seine Aktien nicht mehr öffentlich gehandelt werden. Dies kann die Umstrukturierung vereinfachen, da der neue Eigentümer nicht mehr den strengen Börsenregulierungen und -pflichten unterliegt.
Gründung einer GmbH oder Privatisierung: Nach einem Delisting kann das Unternehmen in eine GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) umgewandelt werden, was mit weniger strengen Offenlegungspflichten verbunden ist. Alternativ kann das Unternehmen auch vollständig privatisiert werden, was bedeutet, dass es nicht mehr öffentlich gehandelt wird und vollständig im Besitz privater Investoren ist.
Kaltes Delisting: Der Begriff "kaltes Delisting" bezieht sich darauf, dass das Delisting als strategische Entscheidung getroffen wird, um die Vorteile der Börsennotierung zu vermeiden. Dies steht im Gegensatz zum "heißen Delisting", das oft aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten oder anderen negativen Umständen erfolgt.
Squeeze-Out: Bei einem Squeeze-Out („Herausquetschen“) kann der Hauptaktionär fordern, dass die Minderheitsaktionärinnen und -aktionäre ihm ihre Aktien übertragen. Er wird in der Regel durchgeführt, wenn es nur noch einen sehr geringen Anteil an Minderheitsaktionärinnen und Minderheitsaktionären gibt und das den Mehrheitsverhältnissen nicht mehr gerecht wird.
Börsenrückzüge namhafter Unternehmen 2023
Was bedeutet das Delisting für Dich?
In der Regel nichts Gutes. Trotzdem: Laut Börsengesetz (§ 38 Abs. 2 Satz 2 Börsengesetz) müssen Anlegerinnen und Anleger frühzeitig über ein Delisting informiert werden. Je nach Börse muss das mindestens sechs Monate im Voraus geschehen. Du hast also noch Zeit, zu reagieren.
Die Frage ist allerdings: Wie reagierst Du am besten bzw. wie kannst Du Deinen Verlust so gering wie möglich halten. Denn, dass Du Verluste machen wirst, davon ist fast auszugehen.
Möglichkeit 1: Aktien so schnell wie möglich abstoßen. Zu diesem Schritt raten die meisten Finanzexpertinnen und Finanzexperten. Sonderlich attraktiv ist diese Möglichkeit allerdings nicht, denn: Sobald ein Delisting öffentlich wird, fällt der Kurs der Aktie rapide. Außerdem: Wer kauft schon Aktien eines Unternehmens, dessen Delisting unmittelbar bevorsteht?
Möglichkeit 2: Angebot des Großaktionärs annehmen. Ein solches Angebot gibt es zum Beispiel bei einem Squeeze-Out. Je nachdem, wie stark der Kurs der Aktie bereits eingebrochen ist, kann das die bessere Alternative zum Verkauf an der Börse sein. Verluste wirst Du in den meisten Fällen aber auch hier hinnehmen müssen.
Worst Case: Insolvenz
Insolvenz ist der Worst Case für Dich. Der Kurs der Aktie bricht komplett ein, so dass ein Verkauf Deiner Aktien nahezu unmöglich ist. Ein Angebot des Großaktionärs wird es zudem nicht geben. In aller Regel wirst Du Dein Geld also verlieren.
Möglichkeit 3: Aktien behalten. Du musst Deine Aktien nicht verkaufen. Das Halten der Aktien ist allerdings wenig sinnvoll und wohl die Möglichkeit, die am wenigsten ratsam ist. Sinn macht dieses Vorgehen überhaupt nur, wenn das Unternehmen nach dem Delisting noch existiert. In diesem Fall bist Du Anteilseignerin oder Anteilseigner an einem privaten Unternehmen und kannst auf einen späteren Squeeze-out hoffen.
Der Nachteil: Unnotierte Aktien lassen sich nur bei einem Downlisting im ungeregelten Freiverkehr verkaufen, und das in der Regel nicht gut. Bei einem tatsächlichen Delisting ist das gar nicht mehr möglich.